Die Herrschaft der Angst

Warum unsere Gesellschaft an der Lüge zerbricht

Angst ist die Grundmelodie von Herrschaft. Sie ist das unsichtbare Band, mit dem Menschen gelenkt, zum Schweigen gebracht und in Abhängigkeit gehalten werden. In allen Epochen brauchte Macht die Angst, um Kontrolle zu sichern – heute jedoch ist Angst nicht mehr nur Begleiterscheinung, sondern das zentrale Instrument. Krankheit, Krieg, Klima, Kosten: jede Krise wird zum Chor der Einschüchterung, jede Nachricht zur Steigerung des Drucks. So entsteht eine Gesellschaft, die erschöpft, verunsichert, gespalten wirkt; Vertrauen erodiert, Gemeinschaft zerfällt, Bildung verkommt zur Oberfläche, Zukunftsangst frisst die Seelen. Orwell hat diese Welt beschrieben – was einst Dystopie war, ist Gegenwart.

Doch Angst ist kein neutrales Gefühl: Sie wird erzeugt, kanalisiert, verstärkt. Medien bombardieren mit Alarm, Sprache wird zum Werkzeug der Manipulation, soziale Netzwerke verwandeln Empörung in Dauerkonflikt. Experten sprechen mit dem Anspruch der Alternativlosigkeit; Zweifel gilt als Illoyalität. Das System lebt davon, Angst in Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeit in Macht und Geld zu verwandeln – Angst als Herrschaftstechnik, wie es Rainer Mausfeld nannte.

Die Architektur der Angst

Angst wirkt als System. Ihre Architektur ist unsichtbar gebaut: Die größten Bedrohungen sind abstrakt, allgegenwärtig und nie endgültig besiegbar – Pandemien, Klima, geopolitische Risiken. Gerade darin liegt ihre Macht: Was unsichtbar und allgegenwärtig ist, erzeugt dauerhafte Verunsicherung. Historisch funktionierte das Prinzip der Grundschuld (Erbsünde); säkular übersetzt gilt heute: Jeder Atemzug hinterlasse einen „Fußabdruck“, jede Gewohnheit werde moralisch aufgeladen. Wer widerspricht, riskiert Scham und Ausgrenzung – soziale Kontrolle wirkt tiefer als Zensur.

Damit das Unsichtbare als real empfunden wird, braucht es Instanzen der Deutungshoheit: Experten. Jedes Extremwetter, ob Hitze oder Kälte, lässt sich in das gewählte Narrativ integrieren; die Vielfalt wissenschaftlicher Debatte schrumpft zur Einheitsmeinung, abgesichert durch Dauerschleifen in Politik und Medien. Der Mechanismus braucht zudem den äußeren Feind – er lenkt von inneren Fehlern ab, rechtfertigt Maßnahmen, die sonst auf Widerstand stoßen würden, und hält die Gesellschaft in Alarmbereitschaft. Die jüngste deutsche Debatte spricht offen von „Kriegstüchtigkeit bis 2029“ – ein Begriff, der die Bevölkerung mental auf Rüstung, Opfer und Konflikt einschwört.

Nicht minder wirksam ist soziale Unsicherheit: Wer um die Miete, den Arbeitsplatz oder die Rente fürchtet, opponiert selten. Deutschland und die EU rutschen seit Jahren in eine strukturelle Schwäche: Industrieproduktion niedriger als 2018, BIP-Rückgang, Insolvenzen auf Höchststand. Reallöhne wurden in den Inflationsjahren spürbar entwertet; laut Destatis sanken die realen Verdienste gegenüber 2021 deutlich, bevor sie 2025 nur leichte Stabilisierungstendenzen zeigen. Der Wohnungsbau bricht ein: 2024 wurden lediglich 251.900 Wohnungen fertiggestellt, ein Rückgang von 14,4 % gegenüber 2023 – weit entfernt vom Regierungsziel. Große Industrieunternehmen ziehen Konsequenzen: BASF fährt energieintensive Produktion in Deutschland zurück, spart Milliarden in Europa und schließt Anlagen – ein Symbol für den Standortverlust hochenergetischer Branchen.

Psychologische Wirkung und Fehlprägung

Angst verengt das Denken, raubt Nüchternheit und macht Menschen zu Objekten äußerer Steuerung. Sie erzeugt Hilflosigkeit; aus Hilflosigkeit wächst Resignation, schließlich Identitätsverlust. Fromm warnte vor der Gefahr, das Selbst zu verlieren – eine Gefahr, die heute mit technologischer Dauerablenkung und moralischer Dauerschuld zusammenwirkt. Wer innerlich leer wird, sucht Halt im Haben: Status, Selbstoptimierung, messbare Kennzahlen. Doch Glück und Geld lassen sich nicht gleichzeitig zählen; Viktor Frankl sah Sinn als Nebenwirkung einer Hingabe, die größer ist als man selbst. Diese Einsicht ist die Antithese zur Optimierungsreligion.

Die alten Archetypen der sieben Todsünden beschreiben unsere Gegenwart präzise: Hochmut in der Arroganz technokratischer Eliten; Habgier in der Maßlosigkeit von Konzernen und Finanzmärkten; Wollust in der Vermarktung von Intimität; Zorn in der Hasskultur; Völlerei in Konsumexzessen; Neid im Dauervergleich der sozialen Medien; Trägheit im Schweigen der Mehrheit, die spürt, dass alles falsch läuft – und dennoch nichts tut.

Der unvermeidliche Zusammenbruch

Die Wahrheit ist: Der Zusammenbruch kommt. Er ist nicht mehr aufzuhalten, weil die Fundamente längst zersetzt sind – ökonomisch, politisch, kulturell, moralisch. Was wir erleben, ist das langsame Einstürzen eines Gebäudes, dessen Risse seit Jahren sichtbar sind. Die Kriegsrhetorik aus Berlin und Brüssel, die selbstschädigenden Sanktionsspiralen (inzwischen 18 EU-Sanktionspakete), die ideologisch überzogene Energiepolitik und die Dauerüberlastung zentraler Systeme sind Beschleuniger eines ohnehin unheilbaren Prozesses.

Die Migrationsbewegungen seit 2015 haben die demografische und soziale Statik Deutschlands zusätzlich destabilisiert: Laut CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sind seitdem 6,5 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen, nur etwa die Hälfte davon ist bisher in Arbeit integriert – eine Zahl, die das soziale System weiter überfordert.

Die Tragik liegt darin, dass es nicht so weit hätte kommen müssen. Hätte die Mehrheit die Angst zurückgewiesen, hätte sie gesprochen statt geschwiegen, gehandelt statt gezögert, hätte sie den Eliten die Gefolgschaft verweigert – vieles wäre anders. Hannah Arendt nannte es das größte Übel, wenn Menschen nicht handeln; genau dieses Schweigen macht die jetzige Eskalation unausweichlich.

Neubeginn im Untergang

Ein Zusammenbruch bringt nicht Hoffnung, sondern Verheerung. Er bedeutet Hunger, Kälte, Entwurzelung, Gewalt. Er bedeutet den Verlust von Sicherheit, von Heimat, von Gemeinschaft. Im Augenblick des Sturzes bleibt den Menschen nichts als Schmerz – kein Licht, kein Ausweg, nur die nackte Erfahrung des Leids. Geschichte zeigt: Wenn Gesellschaften zerbrechen, dann reißen sie ihre Bürger mit in den Abgrund. Hoffnung ist in dieser Phase eine Illusion.

Und doch: Aus Leid erwächst Wandel. Nicht sofort, nicht planbar, nicht gewollt – sondern langsam, tastend, oft unbemerkt. Erst wenn der Schrecken zur Erschöpfung geworden ist, beginnen Menschen, nach etwas Neuem zu greifen. Erst wenn das Alte verbrannt ist, kann Raum für etwas anderes entstehen. Hoffnung ist nicht der Begleiter des Zusammenbruchs – sie ist das späte Kind, das aus dem Leid geboren wird.

Unsere Gesellschaft wird sterben, und sie wird im Sterben Grausames hervorbringen. Wer sich Illusionen hingibt, dass dieser Prozess ein sanfter Übergang sein könnte, betrügt sich selbst. Aber wenn der Boden tief genug erreicht ist, wenn die Menschen nichts mehr zu verlieren haben – dann wächst, aus Tränen und Asche, die Möglichkeit einer Ordnung, die Wahrheit und Würde höher stellt als Angst und Macht.

Quellen (Auswahl)
• George Orwell: 1984 – zur Umkehrung von Wahrheit und Sprache
• Rainer Mausfeld: Angst und Macht (2019)
• Deutscher Bundestag – Rede von Boris Pistorius „kriegstüchtig bis 2029“
• Süddeutsche Zeitung – Pistorius über „Kriegstüchtigkeit“
• Wall Street Journal (2025) – Industrieproduktion –12 % ggü. 2018; BIP –0,3 % Q2/2025; Insolvenzen Rekord
• Reuters (2025) – Industrieproduktion niedrigster Stand seit Pandemie
• Destatis (2021–2025) – Reallöhne, Inflation
• Reuters (2025) – Wohnungsbau 2024: 251.900 Fertigstellungen (–14,4 % ggü. 2023)
• ifo/Euroconstruct – Neubau europaweit auf Tiefstand
• Clean Energy Wire (2025) – BASF Werksschließungen
• BASF-Konzernbericht – Einsparziel Europa/Deutschland €2,1 Mrd. p.a. ab 2026
• Rat der EU – 18 Sanktionspakete gegen Russland (Stand Juli 2025)
• Destatis/BAMF/EUAA (2022–2025) – Migration, Asylerstanträge
• Carsten Linnemann (CDU), Juli 2025: „Seit 2015 sind 6,5 Mio. Menschen gekommen, nur die Hälfte arbeitet“


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