Angst und das Versprechen auf Glück sind die profitabelsten Geschäftsmodelle aller Zeiten. Sie kosten nichts, kennen keine Grenzen und treffen alle – Angst vor Versagen, vor Krankheit, vor sozialer Bedeutungslosigkeit, und zugleich die Sehnsucht nach Schönheit, Erfolg und ewiger Jugend. Genau daraus schlägt das System Kapital.

Die Methode ist simpel: Erfinde ein Problem, überzeichne eine Gefahr, schüre Unsicherheit – und biete direkt die „Lösung“ an: ein Schönheitsserum, das ewige Jugend verspricht oder ein Fitnessabo, das angeblich das Vergehen des Körpers aufhält. So entsteht ein Markt, der keine echten Bedürfnisse stillt, sondern sie erst erzeugt – Angst auf der einen Seite, das Glücksversprechen auf der anderen.

Unser Wirtschaftssystem lebt davon. Es zwingt uns, uns immer mehr abzurackern, um immer mehr Dinge kaufen zu können, die wir nicht brauchen – Dinge, die wie Drogen wirken: ein kurzer Kick, ein flüchtiger Rausch, das schnelle Glück – und dann sofort Leere, Entzug, neues Verlangen. Immer mehr, immer schneller, immer teurer. Am Ende bleibt der erschöpfte Mensch, der sich fragt: „War das alles? War das Glück?“

Beispiel Auto: Freiheit oder goldener Käfig?

Ein Beispiel: das Auto. Seine Aufgabe ist schlicht, mich von A nach B zu bringen – nicht mehr, nicht weniger. Doch die Realität sieht anders aus: Der Durchschnittspreis eines Neuwagens in Deutschland liegt bei über 41.000 Euro. Rund 70–75 % dieser Fahrzeuge werden kreditfinanziert oder geleast. Das bedeutet: Menschen geben nicht ihr aktuelles, sondern ihr zukünftiges Einkommen aus – sie verkaufen ihre Freiheit von morgen, um heute ein Symbol von Status und vermeintlichem Glück zu besitzen.

Jeder Kredit bedeutet Unfreiheit. Nicht nur, weil man Raten abbezahlen muss. Kredite korrumpieren. Sie machen abhängig. Wer Schulden hat, lebt nicht mehr frei, sondern angepasst. Er muss funktionieren, Monat für Monat, damit die Bank bedient wird. Er kann sich nicht mehr leisten, wirklich zu sagen, was er denkt – zu groß wäre die Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren und damit die Zahlungsfähigkeit. Aus Bürgern werden Untertanen – gefesselt nicht durch Gesetze, sondern durch die selbst gewählte Schuld.

Schon der Anthropologe David Graeber hat in „Schulden: Die ersten 5000 Jahre“ gezeigt, dass Schuld immer ein Machtverhältnis war. Wer verschuldet ist, gehorcht. Schulden disziplinieren tiefer als offene Gewalt, weil sie in das Innerste des Menschen greifen: in seine Hoffnungen, seine Zukunft, seine Würde.

Schulden als Machtinstrument

Die Geschichte liefert drastische Beispiele. In den USA stürzten Millionen Menschen in der Subprime-Krise 2008 ins Elend. Sie hatten auf Pump Häuser gekauft, deren Werte durch Finanzspekulationen künstlich aufgeblasen waren. Als die Blase platzte, verloren sie nicht nur ihr Dach über dem Kopf, sondern ihre Existenzgrundlage. Kredite hatten sie erst in die Abhängigkeit und dann ins Nichts getrieben. Freiheit, so wurde schmerzhaft sichtbar, endet dort, wo Schulden beginnen.

Ähnlich verhält es sich mit der privaten Verschuldung in vielen westlichen Gesellschaften. In den USA lebt eine ganze Mittelschicht dauerhaft auf Kredit: Hypotheken, Studienkredite, Kreditkarten. Diese Menschen sind formal frei, praktisch aber gekettet. Sie wählen vielleicht noch, aber sie sprechen nicht mehr frei. Zu groß ist die Angst, durch ein falsches Wort den Job – und damit die Zahlungsfähigkeit – zu verlieren. Demokratie verliert ihren Kern, wenn Bürger innerlich geknebelt sind.

Die Illusion von Freiheit durch Konsum

Die Werbung verkauft das Auto, die Wohnung, das Fitnessabo, das neue Smartphone als Freiheit und als Glück. Doch in Wahrheit sind es goldene Käfige. Die immer neuen Zusatzfunktionen, Displays, Assistenzsysteme oder Luxuspakete erhöhen keinen realen Nutzen, sondern nur den Preis – und damit die Abhängigkeit. Ein Auto, das dich eigentlich beweglich machen soll, macht dich unbeweglich: finanziell, geistig, existenziell.

Kapitalismus heißt: Mit Geld, das man nicht hat, Dinge zu kaufen, die man nicht braucht, um Menschen zu beeindrucken, die man nicht kennt. Der Preis dafür ist hoch: Wir verkaufen Lebenszeit, verpfänden unsere Zukunft, verstummen aus Angst, die Kreditraten nicht mehr bedienen zu können. Schulden sind das wirksamste Disziplinierungsinstrument der modernen Welt – subtiler, tiefer, nachhaltiger als jede offene Zensur. Angst und das Versprechen auf Glück sind die Fesseln der Freiheit.

Die Tragik der Illusion

Die Tragik ist unübersehbar: Kein Produkt erfüllt das versprochene Glück. Das Hungergefühl bleibt, die Angst bleibt, die Leere wächst. Was bleibt, ist ein erschöpfter Mensch im Hamsterrad – der versucht immer schneller zu funktionieren, um seine Schulden abzutragen und neue Schulden zu tilgen.

Der Ausweg: Wachheit und Selbstbestimmung

Wachheit ist die einzige Gegenwehr. Prüfen, bevor man kauft. Hinterfragen, ob das Problem real ist – oder nur ein Schatten, geschickt an die Wand geworfen. Freiheit beginnt dort, wo wir uns weigern, unsere Angst, unsere Zukunft und unser Glück in den Händen anderer zu verpfänden.

Und echtes Glück? Es liegt nicht in Dingen, Krediten oder Statussymbolen. Es liegt in der Selbstbestimmung, in der inneren Ruhe, im Genügsamkeitsempfinden und in Beziehungen, die nicht käuflich sind. Wer schuldenfrei bleibt, gewinnt nicht nur ökonomische, sondern auch geistige Freiheit. Wer bewusst lebt, statt zu konsumieren, entdeckt das Glück im eigenen Handeln, im eigenen Denken – unabhängig von Werbung, Bank und Markt. Nur wer sich von der Herrschaft der Kredite löst, kann wirklich mündig handeln – und anfangen das Glück da zu suchen und zu finden, wo es begraben ist – in seiner Bestimmung, in sich selbst.


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