Es ist ein schleichender, aber tiefgreifender Zerfall: der intellektuelle Rückbau westlicher Gesellschaften, sichtbar in Klassenzimmern, Vorlesungssälen und letztlich auch in unseren Innovationsstatistiken. Was sich als vermeintliche Bildungskrise tarnt, ist in Wahrheit ein kultureller und kognitiver Niedergang, der uns die Grundlage für Fortschritt, Freiheit und Wohlstand entreißt. Und der Westen, einst Vorreiter wissenschaftlicher und technischer Revolutionen, beginnt zu taumeln – geistig müde, selbstvergessen und bildungsvergessen.

Die verlorene Generation der MINT-Fächer

Wenn Mathematikprofessoren heute über die neuen Erstsemester sprechen, klingt es wie ein Alarmsignal, das überhört wird. Die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen vieler Studienanfänger reichen nicht mehr aus, um ein Ingenieur- oder Informatikstudium überhaupt zu beginnen – geschweige denn, es erfolgreich abzuschließen. Fast die Hälfte aller MINT-Studierenden bricht das Studium ab, meist wegen unzureichender mathematischer Grundlagen.

Professor Dr. Martin Grötschel, ehemaliger Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, spricht von einem dramatischen Rückgang der mathematischen Grundbildung bei Studienanfängern. Seiner Einschätzung nach „beginnen viele das Studium mit Lücken, die früher bereits in der Mittelstufe geschlossen worden wären.“

Professor Dr. Christian Spannagel von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg warnt: „Wir beobachten eine systematische Schwächung der Grundlagenkompetenzen. Die Anforderungen im Mathematikstudium haben sich nicht verändert – aber das Vorwissen der Studierenden nimmt ab.“

Professor Dr. Jürgen Richter-Gebert, Mathematiker an der TU München, äußert sich ähnlich: „Es kommen immer mehr Studierende an die Uni, die nicht mehr wissen, was ein Beweis ist. Dabei ist der Beweis das Herz der Mathematik.“

Diese Entwicklung ist nicht isoliert – sie wird flächendeckend festgestellt, unter anderem im MINT-Nachwuchsbarometer 2024. Dort ist dokumentiert, dass sich die Spitzengruppe leistungsstarker Schüler seit 2012 halbiert hat – während sich die Risikogruppe verdoppelt hat. Das ist ein intellektueller Kahlschlag.

Westliche Dekadenz versus östlicher Bildungsaufstieg

Während sich Deutschland mit dem Rückbau seiner Gymnasien, dem Notendumping und der Digitalisierung um ihrer selbst willen beschäftigt, überholen andere Länder still und entschlossen. Chinesische und indische Studierende dominieren zunehmend internationale Wettbewerbe, veröffentlichen bahnbrechende Arbeiten und füllen weltweit die Labore und IT-Abteilungen.

Professor Dr. Karl-Heinz Kampert, Physiker an der Bergischen Universität Wuppertal, bringt es auf den Punkt: „In internationalen Kooperationen erleben wir regelmäßig, wie hervorragend indische oder chinesische Studierende vorbereitet sind. Dagegen tun sich viele deutsche Studierende selbst mit einfachen mathematischen Ableitungen schwer.“

Nicht nur Fleiß und Disziplin unterscheiden sich – auch das Bildungsniveau. Der Grund liegt nicht in der Genetik, sondern in der Haltung: In Asien wird Bildung als Kulturgut verstanden – in weiten Teilen des Westens als Zumutung.

Der IQ-Sturz: Messbare Fakten

Es sind nicht nur subjektive Einschätzungen frustrierter Hochschullehrer. Internationale Vergleichsstudien wie PISA (OECD), Monitoring the Future (USA) oder PIAAC (OECD) dokumentieren seit Jahren denselben Trend: Jugendliche und junge Erwachsene in westlichen Gesellschaften verlieren messbar an geistiger Leistungsfähigkeit. Konzentrationsprobleme, sinkende Problemlösekompetenz, abnehmendes logisches Denken – und das nicht erst seit der Corona-Pandemie.

Der norwegische Politologe und Intelligenzforscher Ole Rogeberg stellte 2018 einen signifikanten Rückgang der Intelligenzquotienten norwegischer Wehrpflichtiger fest – ein Trend, der sich auch in Finnland, Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden zeigt.

Professor Dr. Julian Nida-Rümelin, Philosoph und ehemaliger Kulturstaatsminister, kritisiert: „Bildung ist mehr als Ausbildung. Sie verlangt Anstrengung, Konzentration, eine Haltung des Ernstnehmens – und genau diese Tugenden werden heute oft verspottet.“

Ursachen des Bildungs- und Intelligenzverfalls

  1. Bildungspolitischer Relativismus – ideologisch motivierte Nivellierung ersetzt Leistungsorientierung durch Gleichmacherei.
  2. Digitalisierung ohne Didaktik – multimediale Dauerablenkung schwächt Konzentration, Merkfähigkeit und Problemlöseverhalten.
  3. Kulturelle Entwertung von Bildung – ersetzt durch Zertifikate, „Soft Skills“ und Wohlfühlpädagogik.
  4. Überforderung und Sprachnachteile durch Migration – viele Kinder starten mit einem Rückstand von bis zu anderthalb Schuljahren.
  5. Verlust familiärer Bildungsrituale – Lesen, Diskutieren und Neugier fördern verschwinden aus dem Alltag.
  6. Sozioökonomische Faktoren – Armut und Bildungsferne bremsen geistige Entwicklung.

Die Schuld der Erwachsenen
Der Niedergang ist nicht die Schuld der Kinder. Es ist die Schuld der Erwachsenen, die Erziehung mit Beliebigkeit verwechseln, Bildung mit Zertifikaten und Wissen mit Meinung. Wir haben Generationen heranwachsen lassen, die alles dürfen, aber nichts müssen.

Was auf dem Spiel steht
Ohne kluge Köpfe gibt es keine technischen Innovationen. Ohne belastbare Bildung keine aufgeklärte Demokratie. Ohne intellektuelle Anstrengung keine kulturelle Tiefe. Eine Gesellschaft, die ihre Kinder nicht mehr zur Denkleistung erzieht, wird früher oder später auch das Denken verlernen.

Fazit
Der Westen steht an einem Scheideweg. Entweder wir nehmen den geistigen Verfall ernst und steuern mutig gegen. Oder wir versinken in digitaler Bequemlichkeit – bis andere für uns denken müssen. Die Entscheidung liegt bei uns – noch.


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